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Was macht das Bundesverfassungsgericht? oder: Wolfgang Schäuble hat unseren Rechtsstaat nicht verstanden

In einem sehr interessanten Streitgespräch zwischen Winfried Hassemer, dem früheren Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (welches ich bei der FAZ gefunden habe) sagt unser „Terrorminister“:

„Ich habe zum Beispiel verfassungsrechtliche Zweifel, ob das Verfassungsgericht wirklich entscheiden sollte, für welche Straftaten man welches Instrument gesetzlich vorsehen kann oder nicht.“

Natürlich sollte man das nicht völlig aus dem Kontext reißen (also lest das ganze Gespräch!) aber mein erster Eindruck davon ist: „Hat Wolfgang Schäuble unseren Rechtsstaat verstanden?“ Also nochmals für Sie lieber Herr Schäuble:

„Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte.“

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat mit Gewaltenteilung. Das Bundesverfassungsgericht stellt hier die oberste Instanz der Judikative dar und hat die Aufgabe unsere Grundrechte zu sichern. Sie, Herr Schäuble, sind Teil der Legislativen (wenn man auch manchmal den Eindruck hat, dass der Einfluss des BKA auf Sie etwas groß ist). Sie haben also die Aufgabe Gesetze zu verbessern. Dass verbessern stark subjektiv ist sehen wir ja Tag für Tag, aber gut.

Unser aller Grundlage sind die Grundrechte, niedergeschrieben im Grundgesetz. Sollten Sie (oder Ihre Kollegen) nun auf die Idee kommen Gesetze zu erlassen, die mit diesen Grundrechten nicht vereinbar sind, dann ist es die Aufgabe der Karlsruher Richter Ihnen auf die Finger zu klopfen. Auch wenn Sie gerade dabei sind Instrumente für Straftaten vorzusehen.

Vielleicht sollten Sie – statt die wichtige Arbeit des Bundesverfassungsgerichtes anzuzweifeln – von vorne herein dafür sorgen, dass Ihre Vorschläge dem Grundgesetz nicht entgegen stehen. Als hilfreiche Lektüre lege ich Ihnen besonders Artikel 1, 2, 5, 10 und 13 im Grundgesetz nahe. Wo Sie gerade dabei sind: Gründen Sie doch eine Lesegruppe mit Frau von der Leyen, sie hat diesbezüglich ja auch etwas Nachholbedarf.

Auch der Spiegel und Golem haben darüber schon berichtet.

Winnenden 2009

Nach den traurigen Ereignisse des gestrigen Tages war eigentlich schon klar, was heute kommen wird. Hans-Peter Uhl schreibt in einer Pressemitteilung zum Amoklauf in Winnenden:

„… Das im Juli 2008 reformierte Jugendschutzgesetz, unter anderem mit dem Ziel, den Jugendschutz im Hinblick auf Computerspiele zu verbessern, ist nicht ausreichend.
Bei dem Amoklauf in Winnenden zeigt sich erneut, dass der Täter im Vorfeld seiner Tat sich intensiv mit so genannten Killerspielen beschäftigt hat …“

Es folgt noch etwas bla bla über Altersbeschränkungen und die Wiederholung einer Aussage von letztem Sommer, indem das Jugendschutzgesetz bezüglich Computerspielen überarbeitet wurde:

„… Ein weiteres Nachdenken über geeignete Maßnahmen des Jugendschutzes ist ausdrücklich geboten …“

Politik ist so einfach: nimm einen aktuellen Anlass ausreichender Tragweite, zitiere dich selbst, wie du dir schon vor einem halben Jahr die Lösung vorgestellt hast und fertig ist dein Erfolgsrezept. Lieber Hans-Peter Uhl, auch wenn einige Politiker und Mitbürger so einfach gestrickt sind, die Gesellschaft im Ganzen ist es nicht. Selbst wenn „Killerspiele“ komplett vom Markt genommen werden könnten würde es Menschen geben, die ausrasten und andere umbringen.

Ich glaube es liegt viel mehr an uns als Gesellschaft, dass so etwas passiert. Es sind die Werte, die Kontakte und Zuneigung die wir versäumt haben Tim in den letzten 17 Jahren zu vermitteln. Ich kenne mehr als eine Person, die gerade in einer schwierigen Situation ist und Gefahr läuft mit dem Leben nicht mehr klar zu kommen. Trotzdem renne ich jeden Tag weg statt mich in Liebe um sie zu kümmern. Aber für den anderen da zu sein, das ist es was unsere Gesellschaft verändert. Wir haben alle Verantwortung für unsere Freunde, Kinder und Bekannten. Es kann nur in persönlichen Beziehungen erkannt werden, wenn es einem Menschen dreckig geht. Und wer in einem sozialen Umfeld eingebunden ist, Freunde hat und lebendige Beziehungen pflegt der kann Killerspiele zocken, Gewaltfilme schauen und Waffen besitzen so viel er will – er wird das Leben der Anderen achten, weil er selbst Achtung erfährt. Lasst uns diese Menschen wahrnehmen und ihnen begegnen.

Zurück zur Gesetzgebung: Strengere Vorschriften bezüglich Waffenbesitz oder Killerspielen haben meiner Ansicht nach keinen Wert. Durch ein Verbot gewinnen die Dinge an Reiz und selbst wenn die Verbreitung insgesamt zurückgeht – die Personenkreise die Missbrauch damit treiben werden verbotenes erst recht besitzen. Der Rückgang betrifft nur die Vernünftigen. Wenn eine Person die Bereitschaft aufbringt Andere zu töten, liegt das nicht an einem Computerspiel – und sich die Waffen zu beschaffen ist ganz sicher auch nicht das Problem. – Man kann auch mit einem Küchenmesser Amok laufen.

Ich wünsche allen Betroffenen ein soziales Umfeld mit Beziehungen in denen sie ernst genommen werden. Es ist nicht leicht wenn man solch eine Tat erlebt hat wieder zum Alltag zurück zu kommen. – Das geht, und muss auch nicht, von jetzt auf nachher. Ich wünsche allen Schülern, Lehrern, Eltern, Verwandten und Bekannten genug Kraft um das erlebte zu verarbeiten und dann nach vorne zu blicken und wieder Hoffnung zu fassen.

Update: Dirk von Gehlen schreibt auf jetzt.de dazu.